Die Großwetterlage zur Dichtheitsprüfung in Düsseldorf hat sich gedreht.

Der Wirtschaftsausschuss des Landtages hat am 12.10.2011 mit den Stimmen von FDP, CDU und Linkspartei beschlossen, die Dichtheitsprüfung auszusetzen.

 

Hier der Text des mit Mehrheit beschlossenen FDP-Antrages

 

Antrag

der Fraktion der FDP

 

Landesweite Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserrohren aussetzen – Kommunale Selbstverwaltung stärken

 

 

I.          Ausgangslage

 

Im Februar 1995 wurde mit den Stimmen der SPD-Fraktion eine neue Landesbauordnung verabschiedet. In § 45 Absatz 6 wurde festgelegt, dass auch bestehende Abwasserleitungen spätestens 20 Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes einer Dichtheitsprüfung unterworfen werden müssen. Damit wurde zum ersten Mal die Dichtheitsprüfung in Nordrhein-Westfalen für alle privaten Haushalte verpflichtend vorgeschrieben.

 

Im November 1999 beschloss die damalige rot-grüne Koalition einen weiteren Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung (Drucksache 12/3738), der die Pflicht zur Dichtheitsprüfung für Anlagen in Wasserschutzgebieten zusätzlich verschärfte. Mit der Änderung wurden im Gesetz die Fristen festgeschrieben, bis zu denen die vollständige Überprüfung der bestehenden privaten Abwasserleitungen auf Dichtheit erfolgt sein soll. Für Abwasserleitungen in Wasserschutzgebieten wurde der 31. Dezember 2005 festgeschrieben. Laut Gesetzesbegründung trug die Aufnahme der Fristen in das Gesetz der Erfahrung Rechnung, dass das Tempo der Überprüfung zu langsam sei.

 

Die Regierungskoalition aus FDP und CDU hat im Jahr 2007 das Landeswassergesetz novelliert. In diesem Zusammenhang hat der Landtag am 6. Dezember 2007 die Regelungen zu privaten Abwasseranlagen und zur Dichtheitsprüfung von privaten Abwasseranlagen in Nordrhein-Westfalen von der Landesbauordnung in das Landeswassergesetz überführt und im neuen § 61 a Landeswassergesetz NRWgeregelt. Die Überführung in das Landeswassergesetz erfolgte vor allem aus inhaltlichen Gründen, da die Überprüfung und Überwachung der Dichtheit von Abwasseranlagen ein Thema des Umweltrechts und weniger des Baurechts ist.

 

Nun, da die Endphase der Frist erreicht wird, muss zunehmend festgestellt werden, dass in vielen Teilen des Landes erst jetzt der Inhalt der Regelung überhaupt ankommt. In den letzten 16 Jahren wurde es offenbar von allen Beteiligten versäumt, entsprechend zu informieren. Die FDP hat dies in der Vergangenheit immer wieder moniert und auf mehr Information gedrängt. Dennoch erfahren viele Bürger erst mit Zugang des Anschreibens ihrer Kommune, dass sie der Pflicht zur Dichtheitsprüfung unterliegen. Insofern steigt der Unmut bei den Bürgern über den Umfang und die Frist der Maßnahme zusehends an.

 

Inzwischen zeigt sich außerdem, dass kein anderes Flächenland in der Europäischen Union eine ähnlich strenge Regelung aufzuweisen hat. Die Bürger erfahren die Regelung als starke Belastung, die gerade Familien und Rentner oft vor große Schwierigkeiten stellt. Viele Menschen fühlen sich nicht mitgenommen und bezweifeln den umweltpolitischen Nutzen der Dichtheitsprüfung. Deshalb hat auch die rot-grüne Landesregierung nach Regierungsübernahme die Möglichkeit eröffnet, die Pflicht zur Dichtheitsprüfung um acht Jahre bis 2023 zu verlängern. Diese Fristverlängerung beschränkt sich jedoch auf begrenzte Einzelfälle. Sie gilt nur unter der Voraussetzung, dass die Kommune parallel eine Dichtheitsprüfung des öffentlichen Abwassernetzes vornimmt. Offenkundig machen aber nur wenige Kommunen von der Ausnahmeregelung tatsächlich Gebrauch. Es kann nicht sein, dass die Bürger gezwungen werden, private Abwasserleitungen zu überprüfen, die öffentliche Hand sich jedoch der Pflicht zur Dichtheitsprüfung entziehen kann. Die bestehende Ausnahmeregelung geht deshalb nicht weit genug.

 

Die Hausbesitzer fühlen sich von der Politik allein gelassen und akzeptieren die strengen Regelungen der Dichtheitsprüfung nicht. Es bestehen außerdem immer mehr Zweifel, ob angesichts anderer Grundwassereinträge die Einträge aus privaten Abwasserrohren überhaupt eine Relevanz haben und der Aufwand der landesweit vorgeschriebenen Dichtheitsprüfung in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht. Ohne Dialog mit den betroffenen Menschen wird die Dichtheitsprüfung weiteres Unverständnis gegenüber umweltpolitischen Maßnahmen generieren.

 

Am Beispiel Niedersachsens wird deutlich, dass andere Bundesländer pragmatischere Wege gehen, um europäisches Recht umzusetzen. So sind die privaten Hauseigentümer in Niedersachsen nicht durch ein Landesgesetz zur Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen verpflichtet. Auch in Niedersachsen muss beim Betrieb einer Abwasseranlage die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Die Umsetzung dieser Verpflichtung obliegt den Gemeinden, die als Träger der Abwasserbeseitigung verantwortlich sind und diese Aufgabe im eigenen Wirkungskreis erfüllen. Dabei regeln die Kommunen die Anforderungen an die Überlassung des Abwassers durch Satzung. Jede Gemeinde hat im Rahmen der kommunalen Satzungsautonomie die Möglichkeit, die Verpflichtung zur Dichtheitsprüfung in der kommunalen Abwassersatzung festzulegen, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass dies notwendig ist, um die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu erfüllen. Diese pragmatische Regelung sorgt vor allem in den an Niedersachsen angrenzenden Gebieten Nordrhein-Westfalens für zusätzlichen Unmut über die starre nordrhein-westfälische Regelung. Viele Kommunen in NRW ändern erst seit kurzem ihre Satzungen, so dass die Bürger von der Pflicht zur Durchführung der Dichtheitsprüfung erst jetzt erfahren.

 

 

II. Der Landtag stellt fest:

 

Die Dichtheitsprüfung in der bestehenden Form wird von der Bevölkerung nicht akzeptiert und ist für die Kommunen nur sehr schwer umsetzbar. Starre Fristsetzungen durch den Landesgesetzgeber führen daher zu Unmut und verhindern einen effektiven Gewässerschutz.

 

Abwasserbeseitigung ist eine Angelegenheit, die in der Regelungskompetenz der Kommunen liegt. Deshalb muss die kommunale Selbstverwaltung gestärkt und den Kommunen die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, eine Dichtheitsprüfung nach den örtlichen Gegebenheiten per Satzung zu formulieren.

 

Der effiziente Einsatz von finanziellen Ressourcen auf privater und kommunaler Seite muss beachtet werden. Deshalb sind Synergien zu nutzen und Dichtheitsprüfungen dann durchzuführen, wenn Kommunen ihre Kanäle gleichzeitig sanieren. Eine einseitige Belastung der Bürger ist nicht vermittelbar und muss gestoppt werden.

 

Gerade die sozialen Belange einer solchen Maßnahme müssen dringend beachtet werden. Rentner und Familien, die sich nur durch erhebliche Anstrengungen ein Eigenheim leisten können, werden durch zusätzlich Kosten erheblich belastet.

 

 

III. Der Landtag beschließt:

 

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, einen Gesetzentwurf nach niedersächsischem Vorbild vorzulegen, der die starren Fristen der Dichtheitsprüfung privater Abwasseranlagen aufhebt und den Kommunen die Möglichkeit einräumt, im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung entsprechende Regelungen per Satzung zu erlassen.

 

 

 

 

Dr. Gerhard Papke

Ralf Witzel

Kai Abruszat

Dr. Stefan Romberg

 

 

und Fraktion