Haushaltsrede 2010/11

 

Herr Bürgermeister,
meine Damen und Herren,

Aktuelle Lage

„Katastrophal, dramatisch, tragisch“ waren sicherlich die am meisten benutzten Adjektive in den Haushaltsreden der städtischen Kämmerer, sowohl 2010 als auch 2011.
Unser Kämmerer Herr Tolkemitt sprach für 2010 von einem „gigantischen“ Haushaltsdefizit von 16,5 Mio. EUR, das sich dann im Laufe des Jahres mal kurz durch Mindereinnahmen an Gewerbesteuern über 4 Mio. EUR ausgeweitet hat. Den Haushalt 2011 bezeichnet er als „Mühlstein am Hals der Alten Hansestadt Lemgo“.
Gründe für diese kritische Finanzlage, auch unserer Stadt Lemgo, gab und gibt es genug. Gehört haben wir sie alle schon, ansonsten sind sie nachzulesen im Vorwort unseres Haushaltsplanes 2011.
Die Lage hat sich also nicht wesentlich verbessert. Wenn ich mir den vorliegenden Haushalt 2011 mit einer Neuverschuldung von 8,1 Mio. EUR ansehe und ihn mit einer Überschrift versehen müsste, fällt mir nur das Wort Ernüchterung ein. Unsere laut Eröffnungsbilanz angeblich doch so reiche Stadt befindet sich auf dem Weg in die Überschuldung und hat bereits jetzt leere Kassen, unter anderem weil unser Vermögen in Straßen, Gebäuden und sonstiger Infrastruktur gebunden ist. Wir, wie auch die meisten anderen Kommunen, leben auf Pump und belasten unsere zukünftigen Generationen.

Haushalt 2011

Wollen und können wir als BfL den Haushalt mit der Netto-Neuverschuldung von ca. 8,1 Mio. EUR überhaupt mittragen?
Zunächst einmal stellen wir fest:
Es gibt gravierende Unterschiede bzgl. des Haushaltes 2010 im Vergleich zu 2011.
Im Frühjahr 2010 war für uns nicht einsehbar, warum nicht bereits 2010 ein größeres Einsparpotential als 240 000 EUR generiert worden ist. So mussten wir erkennen, dass es nicht um die von uns geforderten strukturellen Veränderungen ging, sondern die Verhinderung des Nothaushaltes das primäre Ziel war. Deswegen hatte die Verwaltung aus taktischen Gründen alle Einsparpotentiale auf 2011 und Folgejahre verteilt.
Für das Haushaltsjahr 2011 wurden durch Kosteneinsparungen und Einnahmeverbesserungen Einsparpotentiale in Höhe von ca. 2 Mio. gefunden und dokumentiert in der schon oft zitierten Drucksache 28/2010, die im Frühjahr ausführlich diskutiert und einstimmig – auch mit den Stimmen der BfL – beschlossen wurde.
Die Weichen für 2011 wurden somit bereits im Frühjahr 2010 gestellt. Weitere zusätzliche kurzfristige Einsparpotentiale als die 2 Mio. scheint es für den Haushalt 2011 nicht zu geben. Jedenfalls keine, die nennenswert sind. Unsere Einschätzung sehen wir durch die Anträge der anderen Fraktionen bestätigt. Obwohl viele wortreiche Anträge eingereicht worden sind, ist die Wirkung auf den Ergebnishaushalt 2011 unterm Strich gleich Null!
CDU: Folgekosten im Bereich Straßenbegleitgrün senken. Einsparziel: 5 000 EUR
SPD: Kommerzielle Plakatwerbung. Einsparziel: 5 000 EUR
SPD: Unterstützung von Integrationsmaßnahmen. Mehrausgaben: 5 000 EUR
Grüne: Abschaltung weiterer Ampeln in der Kernstadt Prüfauftrag. Einsparziel: unbekannt

Auf drei weitere im Zusammenhang mit dem Haushalt 2011 diskutierte Punkte möchte ich noch etwas genauer eingehen:
1. Weserrenaissance-Museum
Geplant war eine Reduzierung des jährlichen Zuschusses von 156 000 EUR um mindestens 10 000 EUR. Ernüchternde Realität ist jedoch die Tatsache, dass trotz Kündigung der Mitgliedschaft im Zweckverband des Weserrenaissancemuseums und der glücklosen Versuche des Kämmerers den Betrag für Lemgo herunterzuhandeln wieder 204 000 EUR in den Haushalt 2011 eingestellt werden müssen.
2. Änderung des Schulentwicklungsplanes
Anträge der CDU und SPD: Aufgabe der Ganztagshauptschule Brake und des Grundschulstandortes Ostschule.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch wir als BfL-Fraktion wissen um die Bedeutung eines Schulentwicklungsplanes, der die Fragen nach dem zukünftigen Schulraum, und der Art und der Mengen der Schulen, die wir für unser Bildungssystem in Lemgo bereithalten müssen, beantwortet. Daher ist es richtig und wichtig, dass wir bei der demographischen Entwicklung auch die Frage stellen, welche Schulen wir für unsere Zukunft brauchen.
Dieses wichtige Thema gehört nicht in die Haushaltsdebatte für 2011. Alles andere ist nur Polemik und bringt, wie sie aus den Reaktionen aus der Bevölkerung wissen, nur Unruhe. Ein „Schulthema“ von solch grundlegender Bedeutung und so großer Tragweite im Zusammenhang mit „Änderungsanträgen“ zum Haushalt 2011 – ohne Beratung im Schulausschuss, ohne Diskussion im Rat - „durchpeitschen“ zu wollen ist für mich nicht nachvollziehbar, denn dieser Antrag ist wegen fehlender Kennzahlen und Umsetzungsterminen nicht haushaltsrelevant.
Ob und wann dieser Vorschlag mittelfristig zu Einsparungen führen wird ist nicht ausgemacht. Klar dagegen ist, dass das Einsparvolumen für 2011 gleich Null sein wird. Unabhängig davon wurden hier unter dem Mantel der Haushaltspolitik Tatsachen gesetzt, die den Bürgerwillen unberücksichtigt lassen.
3. Parken
Wenn - wie der Geschäftsführer der Stadtwerke Herrn Oberscheven annimmt - bei der Gegenüberstellung von Kosten und Einnahmen sich „kein bzw. nur ein geringer Negativbetrag ergibt, und die Gebühren so bleiben können wie sie sind“, führt die „sehr aufwendige Arbeit“ - wie der Fachbereichsleiter Herr Strüßmann sie nennt - zum Ergebnis: Keine Mehreinnahmen für den Haushalt 2012. Ausdrücklich möchte ich allerdings betonen, dass wir einen „Kassensturz“ aus Gründen der Transparenz begrüßen.
Lassen sie mich zusammenfassen:
Bei einem Gesamthaushalt von 91 Mio. EUR beträgt das effektive Einsparvolumen der eingebrachten Änderungsanträge gerundet 0,0 %

Langfristige Haushaltskonsolidierung

Durch die bereits im Frühjahr beschlossenen Einsparmaßnahmen wurde der Nothaushalt verhindert. Somit sind wir auch 2011 weiter Chef im eigenen Ring. Haushaltspolitik ist Stadtpolitik. Die kann man jedoch nur gestalten, wenn man das Heft des Handelns in den eigenen Händen hält. Nur diese „Chance des eigenen Handelns“ ermöglicht uns, neue Wege aus dem Desaster zu gehen. Ziel ist und bleibt die Haushaltskonsolidierung.
Die BfL hat bereits im Frühjahr bei den Haushaltsberatungen 2010 ein Haushaltskonsolidierungskonzept gefordert. Unser Konzept findet Niederschlag im Punkt 38 der Drucksache 28/2010 und soll nun - wenn auch mit ein wenig Verspätung - umgesetzt und somit der Rahmen für die zukünftige langfristige Haushaltskonsolidierung abgesteckt werden. Wohlwollend haben wir registriert, dass der Kämmerer diese von uns als BfL eingebrachte Forderung wörtlich in seinem Vorwort zum Haushalt zitiert und als „Vorbildlich für Lippe“ herausstellt. Im Interesse der Stadt Lemgo sollen alle Verantwortungsträger, also alle Fraktionen und die Verwaltung darüber nachdenken, wo wir unsere Schwerpunkte und Aufgaben in den kommenden Jahren sehen und an diesen unser Handeln ausrichten. Ob diese regelmäßige Reflexion vorhandener Ziele bzw. die systematische Entwicklung neuer Ziele erfolgreich sein wird, ob die vom Arbeitskreis „Haushaltskonsolidierung“ eingebrachten Vorschläge Niederschlag finden im Ergebnishaushalt 2012 und folgende wird die Zukunft zeigen.

Politikstil – Transparenz – faires Miteinander

CDU
In einer Presseerklärung haben Sie Herr Dr. Pohlmann uns der Bfl vorgeworfen, sich in zwei Ausschüssen nicht an der Diskussion um potentielle Windkraftstandorte beteiligt zu haben.
Zunächst möchte ich dazu folgendes anmerken:
Durch ihre Falschaussage “BfL will mehr Windkraft in Lemgo“ haben Sie Herr Dr. Pohlmann versucht, die Bürger/innen bewusst in die Irre zu führen.
Wir werden uns trotz dieser unsachlichen Attacken ihrerseits nicht von unserem Politikstil abbringen lassen.
Und – unabhängig von diesem verdrehten Sachverhalt – möchte ich festhalten: „Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen!“ Ich habe mir von meinen Fraktionskollegen berichten lassen, dass bei der Beratung der Wirtschaftspläne im Gemeinsamen Betriebsausschuss die Wortbeiträge der CDU gegen Null tendierten und dabei geht es in diesem Ausschuss nicht um potentielle „Windmühlen“ sondern um die Millionen-Haushalte der vier Eigenbetriebe.

SPD
Dass sich die CDU als „Ausführungsorgan“ der Verwaltung sieht ist für uns nicht akzeptabel aber nachvollziehbar.
Dass - wie jüngst bei der Erstellung der Elternbeitragstabelle für die Kita-Gebühren geschehen - die SPD mit auf diesen Zug „aufspringt“ verwundert uns doch sehr. Der von allen Fraktionen in Auftrag gegebene geänderte „Verwaltungsvorschlag“ wird von CDU und SPD der Öffentlichkeit als der ihrige verkauft. Ich sage dazu: „Mit fremden Federn geschmückt“.
Wenn sich solch „wundersame Pakte“ wiederholen, sehe ich schwarz. Genauer gesagt „Schwarz-Rot“

Dieser zu verabschiedende Haushalt ist ein Haushalt der Zuversicht und der Hoffnung:
Hoffnung und Zuversicht auf Erholung der Wirtschaft, auf bessere Steuereinnahmen, auf finanzielle Entlastung des Bundes und des Landes. Zumindest auch Hoffnung auf die richtige Weichenstellung für die Haushalte ab 2012 durch die beabsichtigte und hoffentlich auch erfolgreich durchgeführte „Strategische Haushaltskonsolidierung“, in deren Rahmen neue Einsparpotentiale für 2012 gesucht und gefunden werden müssen. Das ist zwingend erforderlich, um die Neuverschuldung zu stoppen und langfristig eine Reduzierung der Schulden zu erreichen.

Wir sehen ein kleines Licht am Ende des Tunnels.

Aber wir haben auch einiges noch zu kritisieren, was wir bereits zum Haushalt 2010 angemerkt haben und sich bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht geändert hat.

- Zitat der örtlichen Rechnungsprüfung: „ Die Eröffnungsbilanz ist nicht termingerecht vorgelegt und festgestellt worden“.
- Keine Schlussbilanz 2008, 2009
- Kein Abschluss für den Gesamtkonzern

Resümee

Wir sehen nach dem katastrophalen Haushalt 2010 – dem wir nicht zustimmen konnten – diesen Haushalt 2011 als einen Übergangshaushalt an, der zu einer anderen aufgabenkritischeren Haushaltsplanung für 2012 führt.
Die Zustimmung zum vorgelegten Haushalt fällt uns mehr als schwer.
Dennoch:
Die BfL-Fraktion stimmt dem Haushalt 2011 zu.

Wolfgang Sieweke
Fraktionsvorsitzender der BfL